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Textviren. Metonymie und Ansteckung in _Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_ von mez (Mary Anne Breeze)

Florian Cramer

27.10.2003

Date: Fri, 24 Aug 2001 13:24:21 +1000
From: "][mez][" <netwurker@pop.hotkey.net.au>
Subject: Viro.Logic Condition 1.1



_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_

[b:g:in]

::Art.hro][botic][scopic N.][in][ten][dos][tions::
1.[b.ranch outwards||seething
jam-jar curs][ed][ored
drenching s][creening][ounds]

::Neol][o.jism][ithic Rever][b][s.al][l][s::
2.[drink sever][al][ed
c u in he][l][avan
a c][yclops][hair b:cumming sane]

::Gig:a][h!][:cycling::
3.[alert & c.rash.ing
chrysa][s][li][ding!][s//via
code syrup & brooding symbols]


______________________________________________
----------------------------------------------



.The Viro.logic Condition s][ir][ear.c][am][hes the named
N.pu.t][rojan.logic][ strains [or physical N.put if no strands r nominated]
4 possible contaminants. .By de:fault][lines][ the Condition
s.pr][int][eads thru matching bi][r][o][bo][.logic links.

                        +
       .There r 3 major cycles of Viro.logic
       con.troll.ed by the following reactions.
                        +
       
-M, --baseline-re:ge][xp][nerative.
.Internet p][atterned][roduced as a wr][h][y.zomic x.pression.
    
.This is this e.ternal range.

-E, --x.tended-rege][xp][nerative.
.Interphysical person as an x.tendable geophysical x.pression.
 
-Z, --fixed-stra][i][nds
.Inter.twin.ing of previous patterns as links of fixed strands, stitched
via newbies.


----------------------------------------------______________________________
________________
         the  [-viro] [-logic] [-e condition | 
       -f STRAND] [-d ACTION]  [--searches=ACTION]  [--x.tended-
       reg][exp.eriential][]  [--fixed-strands] 
______________________________________________
----------------------------------------------



[...the named input + technologic strains + physical input if no strands
are nominated + possible contaminants = by default the condition spreads
through machining biologic/robologic links...]




[e:n:d]

Zur Semiotik codierter Ansteckungen

Thema meines Vortrags sind ansteckende Codes, das heißt: Ansteckung von Codes durch Codes (oder von Schrift durch Schrift) in ihrem Verhältnis zur metaphorischen Codierung von körperlicher Ansteckung sowie zur performativen Ansteckung von Körpern durch Codes. Ist die E-Mail, die Sie hier sehen, ein Computervirus, oder könnten Sie zumindest glauben, daß sie einer sei? Um das Verhältnis von Schriftcodes und Ansteckung genauer zu differenzieren, möchte ich eine kleine Semiotik der Ansteckung vorschlagen, in fünf Eskalationsstufen der Codierung von Infekten:

  1. Biologisch, asymbolisch: Ansteckung von Körpern durch Körper im Medium des Körpers. Es gibt keine Codierung des Infekts durch künstliche Zeichen.
  2. Deskriptiv: Der Code stellt die Ansteckung von Körpern durch Körper dar (Bsp.: Krankenbericht), ist aber selbst weder ansteckend, noch imitiert er diese Ansteckung.
  3. Mimetisch bzw. metaphorisch: Der Code wird in eine Ähnlichkeitsbeziehung zur Ansteckung von Körpern gesetzt, oder er integriert, als indexalisches Zeichen, Spuren der Ansteckung von Körpern. Beispiele: Der syphilitische Adrian Leverkühn in Thomas Manns ,,Dr. Faustus``, der den Roman metaphorisch ansteckt, Ilya Kabakovs Hospital-Installationen.
  4. Performativ bzw. semantisch viral: Ansteckung von Körpern durch Codes. Bespiele: hate speech, die adamitische Ursprache, Zombie-Filme, deren infizierte Protagonisten das Publikum zumindest zum Erbrechen anstecken. D.h.: Weder beschreibt, noch imitiert der Code Ansteckung, sondern er ist ansteckend. Allerdings infiziert er Körper und nicht sich selbst. In Richard Dawkins' umstrittener Terminologie ist solch ein Code ein ,,Mem``.
  5. Selbstansteckend bzw. syntaktisch viral: Ansteckung von Codes durch Codes, und zwar nicht im übertragenen, sondern im unmittelbar technischen Sinne. Eine solche Selbstinfektion des Zeichens war jahrhundertelang nur Gegenstand von mystischer und experimentalkünstlerischer Sprachspekulation, ist aber mit der Erfindung des Computers und von Computerviren überraschend alltäglich geworden.
Natürlich gibt es Mischungen dieser fünf semiotischen Register der Ansteckung; zum Beispiel fingierte Viruswarnungen, die Computernutzer dazu auffordern, wichtige Systemdateien zu löschen und somit zwar Codes zum Manipulieren von Codes sind, ihre Ansteckung aber semantisch, nicht syntaktisch über performative Sprechakte organisieren. Kunstwerke, die sich besonders vielschichtig mit Ansteckung befassen, ziehen oft mehrere Register zugleich; so kann Ilya Kabakovs autobiographische Hospital-Installation zugleich als Krankenbericht betrachtet werden, als Metaphorisierung der Ansteckung und Krankheit sowie schließlich als performative Ansteckung des Betrachters mit der Melancholie, die sie inszeniert.

mez, _Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_)

Was ist ein Computervirus? Es ist, in John von Neumanns Terminologie ausgedrückt, ein sich selbst replizierender Automat, der aber nicht als Hardware, sondern als Software konstruiert ist. Definiert man Software allgemein als formalen Instruktionscode, so ist ein Computervirus ein Code, das mindestens eine (rekursive) Anweisung zur Replikation seiner selbst enthält, häufig auch noch Anweisungen zur Modifikation anderer Codes der Systeme, auf die er sich verbreitet, eventuell sogar Anweisungen zur Modifikation seiner selbst. An Computerviren wird deutlich, daß es in Computern und im Internet selbst keine Multimedialität gibt, sondern nur binärschriftliche Codes, die erst an analogen Benutzerschnittstellen wie Monitoren, Lautsprechern und Tastaturen ,,medial`` werden, und daß die eigentümliche Textualität des Internets sich nicht in primitiven, als ,,hypertextuell`` verklärte Verknüpfungen von Speicheradressen erschöpft, sondern darin besteht, daß Textcodes algorithmisch ausführbar und damit virulent und potentiell viral werden und codierte Systeme nicht bloß metaphorisch zum Absturz bringen.

Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es eine Netzkunst, die sich genau dafür interessiert und im kalkulierten Gegensatz zu akademischer Hightech-Digitalkunst die Ästhetik von Fehlcodierungen, Störungen, Abstürzen und opaker Programmcodes konsequent erkundet. Zu ihrem Lowtech-Medium der Wahl wurde simple E-Mail im Standard-Textcode, zu einem ihrer initialen Diskursorte die internationale Mailingliste ,,7-11``, auf der pseudonym operierende Störcodekünstler mit der Zeit individuelle Schreibstile entwickelten. Aus diesem Netzwerk, für dessen Kunstform der New Yorker Performancekünstler Alan Sondheim das Label ,,Codework`` etabliert hat, sticht die Australierin mez, bürgerlich Mary Anne Breeze, dadurch hervor, daß ihre Schreibweise nicht nur eine maniera ist, sondern eine poetische Kunstsprache, die sie ,,mezangelle`` (von ,,mez`` und ,,to mangle``) nennt und die ein Hybrid aus Englisch, Slang, technischen Protkoll-Codes, Programmiersprachen, phonetischen Wortspielen und Netz-Jargon ist.

 _Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_
 
 [b:g:in]
 

Der Text, um den es nun geht, wurde am 24.6.2001 an verschiedene Netzkunst-E-Mail-Verteiler verschickt und ist bereits in seiner Titelzeile ein mezangelle-Hybrid. Die ,,_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_`` weist sich als ein Computerprogramm aus, das eine Versionsnummer trägt und dessen Quellcode, wie in einigen Programmiersprachen üblich, von einer ,,begin``- und einer ,,end``-Zeile eingeschlossen wird. Wie in E-Mail und in Diskussions-Newsgroups üblich, ist der Titel durch einfache Unterstriche (,,_``) an Zeilenanfang und -ende hervorgehoben. Durch die der internationalen phonetischen Schrift entlehnten Doppelpunkte wird ,,begin`` zu ,,bee-gee-in`` gedehnt, einem phonetischen Hybrid von ,,begin`` (,,Anfang``) und ,,being`` (,,sein``). Noch innerhalb der begin/end-Klammer liegt eine doppelten Trennzeile, hinter der ein typographisch vom bisherigen Text verschiedener Textabschnitt beginnt. Auf Grund seines Zeilenfalls kann man ihn entweder als Prosa-Addendum zu den lyrischen Versen oder als technische Dokumentation des Programmcodes lesen. Tatsächlich imitiert er in Aufbau, Format und Stil eine elektronische Handbuchseite (bzw. ,,manpage``) des Betriebssystems Unix. die konventionellerweise mit einer knappen Zusammenfang des dokumentierten Programms beginnt und dann dessen Kommando-Optionen Punkt für Punkt aufschlüsselt. Die Optionen des Programms ,,_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_`` bilden, wie man sieht, das Akrostychon ,,mez``.

Ist mez' Text, da er in einer imaginären, maschinell nicht ausführbaren Programmiersprache geschrieben ist, also nur eine Metapher oder Mimesis von Programmcode und somit weder zu semantisch-performativer, noch zu syntaktisch-viraler Ansteckung fähig? Das wichtigste Stilmittel dieses Texts im besonderen und der mezangelle im allgemeinen sind eckige Klammern, deren Gebrauch sich an Klammerausdrücke in Boolschen oder sogenannten regulären Suchausdrücken anlehnt, wie sie in Programmiersprachen und Suchmaschinen verbreitet sind. So kann die Titelzeile als ,,Virologic Condition`` (,,virologischer Zustand``) gelesen werden, als ,,Logic Condition`` (,,logische Bedingung``), ,,Logic Conditioning`` (,,logische Konditionierung``) oder ,,Virologic Conditioning`` (,,virologische Konditionierung``). Auch als imaginäre Software ist die mezangelle also selbstausführender Code, denn sie kreiert aus einem verdichteten Quelltext eine Vielzahl möglicher Outputtexte.

Der Titel und die Zeile ,,,b:g:in`` lassen offen, wer oder was konditioniert oder einem Virus ausgeliefert wird: Ein menschlicher Körper oder ein technisches System? Diese Frage zieht sich, wie ich zeigen möchte, als roter Faden durch den Text, so auch in der nächsten Zeile. Syntaktisch an die Programmiersprache Perl angelehnt, markiert sie das erste von drei nun folgenden ,,Paketen`` bzw. Objekten, die - durch zweifache Doppelpunkte (,,::``) eingeleitet - imaginäre Unterprogramme enthalten:

 ::Art.hro][botic][scopic N.][in][ten][dos][tions::

Wieder werden kreiern die eckigen Klammern Schachtelwörter, die an die ,,portmanteu words`` und poetischen Neologismen von Carroll, Chlebnikov und Joyce erinnern. So ist das erste Wort vierfach lesbar als ,,Arthroscopic`` (,,arthroskopisch``), ,,Art robotic`` (,,kunstrobotisch``), ,,Arthrobotic`` (,,arthro[se]botisch``) und ,,horoscopic`` (,,horoskopisch``). Das zweite Wort expandiert zu ,,Nintendos``, ,,intentions`` und (dem Namen des alten Microsoft-/IBM-PC-Betriebssystems) DOS.

Die Sprache verbindet also Maschinen und humane Anatomie zu imaginären Mischkörpern, die sie zudem mit Attributen der Ansteckung, Krankheit und Medizin (Athroskopie) verbindet.

[Ich überspringe aus Zeitgründen die nächsten zwei Zeilen.]

 1.[b.ranch outwards||seething

Sieht man den doppelten Längsstrich (,,||``) wie auf der Kommandozeile des Unix-Betriebssystems und in den Programmiersprachen C und Perl als logische ,,oder``-Verknüpfung an, so diese Zeile zweifach lesbar, als prädikative Beschreibung dessen, was der virologische Hybridkörper tut - ,,branch outwards, seething`` (,,sich nach ausdehnen und zerfließen``) - oder als substantivische Beobachtung der Außenwelt (,,ranch outwards, see-thing``, ,,eine Ranch draußen, ein See-Ding``).

In der nächsten Zeile ist die Doppelbedeutung nicht grammatikalisch, sondern semantisch codiert:

jam-jar curs][ed][ored

Ein Marmeladentopf wird, als Innenbeschreibung gegenüber der Außenbeschreibung ,,ranch outwards``, verflucht (,,jam-jar cursed``) oder ein Maus- oder Tastaturcursor sieht aus wie ein Marmeladentopf (,,jam-jar cursored``). wie ein Marmeladentopf aussieht.1 - Weiter:

drenching s][creening][ounds]

Eine Bildvorführung oder eine medizinische Testreihe (,,screening``) oder Töne (,,sounds``) saufen ab (,,drenching `). Im gesamten vierzeiligen ,,Objekt`` ist schwierig auszumachen, wer oder was das Subjekt und was das Objekt des Texts ist: Der arthritische Roboter, der virus-infiziert und mit verunstalteter Bildschirmgraphik und Tönen nach außen zerfließt, oder aber die ,,athroskopischen Intentionen`` eines kränkelnden menschlichen Körpers in häuslicher Umgebung?

Mit dem nächsten Programmobjekts gibt der Text mehr von sich preis:

::Neol][o.jism][ithic Rever][b][s.al][l][s::

Ineinander verschachtelt sind hier ,,Neolithic`` (,,neolithisch``), ,,Neologism`` (,,Neologismus``), ,,jism`` bzw. ,,o, jism`` (,,Sperma``), sowie ,,Reverb`` oders ,,Reverbs`` (,,hallen``), ,,Reversal`` oder ,,Reversals`` (,,Umkehrungen``) und ,,all`` (,,alle``).

Mindestens zwei Lesarten ergeben sich aus der Kombinatorik dieser Morpheme: Das Subjekt fühlt, als ob es in die Steinzeit zurückversetzt wäre oder fühlt die Steinzeit nachhallen; oder aber es gibt einen ,,neologism reversal``, die Umkehrung eines Neologismus.

Wie in den Zeilen zuvor, entgrenzen sich auch hier menschlicher Körper und Technik und kehrt das Motiv von Ansteckung und Krankheit wieder. Auf Grund seiner Doppel- und Mehrfachcodierungen kann der Text konsequent als ein privater Krankenbericht gelesen werden und ebenso konsequent als Bericht von viral infizierter Technologie. Mit der Formulierung ,,neologism reversal`` decodiert er sich beinahe, da sie beschreibt, wie aus biologischen Viren qua Neologismus Computerviren abgleitet und durch die Umkehrung des Neologismus aus Computerviren biologische Viren erklärt werden. Das Subjekt beobachtet seine eigene Krankheit, vergleicht sie mit einem Computervirus und reflektiert, daß es den ursprünglichen Neologismus umkehrt, indem es sich das biologische anhand des digitalen Virus erklärt.

[Ich überspringe die nächsten drei Textzeilen.]

2.[drink sever][al][ed

Der Krankenbericht schreibt sich paradox fort: Entweder wird Flüssigkeit eingenommen, um die Infektion zu bekämpfen (,,drink several``), oder das Getränk ist, wie der ,,jam-jar cursed``, das ,,drenching screening`` und der ,,jism``, eine vergiftete Quelle und Multiplikator der Ansteckung (,,drink severed``).

 c u in he][l][avan

,,See you in hell``/,,see you in heaven``. Neben dieser offensichtlichsten Kontraktion von Gegensätzen des Text enthält die Zeile zwei Internet-spezifische Anspielungen: ,,c u`` bezieht sich auf die Videokonferenz-Software ,,cu/see me``, ,,see you in hell`` imitiert die typische Rhetorik von Computerviren und Schadensbotschaften auf gehackten Computern.

 a c][yclops][hair b:cumming sane]

Diese Zeile expandiert zu ,,a cyclops becoming sane``/,,a chair becoming sane``/,,hair becoming sane`` (,,ein genesender Zyklop``, ,,ein genesender Stuhl``, ,,genesendes Haar``), dabei ist ,,to come`` zweideutig ,,to cum`` (,,kommen``/einen Orgasmus haben) eingeschrieben, so daß ,,b:cumming`` für ,,becoming`` (,,werden``) und ,,be cumming`` (,,gerade kommen``) steht.

Da die vorherige Zeilen auf Web-Cameras (,,c u``) anspielt, erscheint ,,cyclops`` (,,Zyklop``) als Metapher für den Computer als einäugiges Wesen. Wieder ist es mehrdeutig, wer angesteckt wurde und wer gesund wird. Denn selbst in der Genesung lauert, durch den eingeschriebenen Sex-Slang, die potentielle Übertragung und Infektion.

Zum nächsten Programmobjekt:

>
> ::Gig:a][h!][:cycling::

,,Gigahigh cycling``/,,Gigahertz cycling``/,,Gig cycling``/,,Gigah! cycling``: Diese wegen der Mehrdeutigkeit von ,,cycling`` schwer ins Deutsche übersetzbare Lesarten beschreiben, je nach dem, die Gigahertz-Taktgeschwindigkeit eines Computers, Fahrradfahren in den Bergen und ein extremes Gefühl des Auf und Ab. In ,,Gigah!`` steckt eine Anspielung auf antiorp/Netochka Nezvanova, eine weitere pseudonyme Netzkünstlerin aus dem Umfeld der 7/11-Liste, in deren Codesprache der Buchstabe ,,i`` konsequent durch Ausrufezeichen ersetzt wird. Da dies die einzige Stelle von mez' Texten mit dieser Buchstabenersetzung ist, liest sie sich als verstecktes ,,Hi`` an mitlesende Kollegen.

 3.[alert & c.rash.ing

,,alert & crashing`` / ,,rash`` (,,aufgeschreckt & zusammenbrechend`` / ,,rücksichtslos``)

Dieses Objekt bzw. dieser Stropenabsatz beschreibt, wie auch in der nächsten Zeile deutlich wird, den Organismus bzw. die Maschine im destabilisierten Zustand:

 chrysa][s][li][ding!][s//via

i

Mit der Larve (,,chrysalis``) wird eine weitere biologische Metapher eingeführt und mezangellstisch zu ,,chrysaliding`` verschachtelt. Der Maschinen-Organismus läuft auf Hochtouren, gerät außer Kontrolle (,,Gigacycling``, ,,rash``, ,,alter & crashing``) und zieht sich atavistisch- regressiv als Larve zurück. Die Larve gleitet via:

 code syrup & brooding symbols]

worin sich organische Biologie und Computerprogrammierung am deutlichsten vermischen. Der ,,Syrup`` ist zugleich Medizin des rekonvaleszenten Körpers, und, als Code, Reparaturmittel für die abgestürzte Maschine. Daneben sind ,,Codesyrup und Brutsymbole`` offensichtliche Metaphern der Computersteuerung und -programmierung, der symbolischen Kontrolle (und dem Kontrollverlust) eines als organisch empfundenen Systems. Das erste Absatz-Objekt des Texts beschreibt den hybriden Organismus, das zweite, das ihn in einen mehrdeutig codierten räumlichen Kontext rückt, die Quellen seiner Infektion und seiner Heilung, und das dritte Absatz-Objekt seine innere Verfassung.

Im der nachfolgenden mezangellisierten Programmdokumentation, auf die ich hier nicht näher eingehen werde, ist schließlich explizit von dem verbreiteten E-Mail-Virus ,,Sir.Cam`` die Rede, und von Physis und Logik als den Kanälen trojanischer Unterwanderung.

Wenn also das Leitmotiv des Texts die Entgrenzung von Körper und symbolischer Logik im Medium der infektiösen Ansteckung beider ist, und dieses Leitmotiv nicht nur als semantische Deskription in seine Sprache eingeht, sondern sich syntaktisch in sie eincodiert, so kennzeichnet ,,_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_`` eine Poetik des Metonymischen als einer Vertauschung, Entgrenzung und Gleichsetzung räumlich benachbarter Dinge. Die ,,mezangelle`` konstruiert diese Benachbarungen und gleitenden Signifikate bereits auf der morphologischen Ebene ihrer Wörter und metonymisiert auch Metaphern, also konstruierte Ähnlichkeiten. Der Text setzt Wörter wie ,,arthroscopic`` und ,,art robotic`` nicht nur metaphorisch gleich, sonder heftet sie auch einander metonymisch an, und zwar sowohl ihre Signifikanten in der Wortstellung, als auch Signifikate in seiner Imagination.

,,_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_`` ist über seine metonymische Reflexion multipler wechselseitiger Ansteckungen von Körpern und Codes auch als Reflexion der Metonymie selbst lesbar. Von Roman Jakobson stammt die bekannte Definition der Metapher als Trope der Ähnlichkeit und der Metonymie als Trope der Kontiguität.2 Weniger bekannt ist, worauf der Literaturwissenschaftler Robert Stockhammer in seiner Monographie über Dichtung und Magie hinweist, daß nämlich Jakobson seine bipolare Universaldefinition von Metapher und Metonymie von James George Frazers und dessen Klassifikation magischer Handlungen in ,,The Golden Bough`` übernimmt.3 Frazer unterscheidet zwei Typen von Magie, die er ,,homoeopathic`` und ,,contagious`` (,,ansteckend``) nennt.4 Er definiert beide wie folgt: ,,Homeopathic magic is founded on the assoiation of ideas by similarity: contagious magic is founded on the association of ideas by contiguity``.5 Als Beispiel homöopathischer Ähnlichkeits-Magie nennt er die Zerstörung des Abbild eines Feinds (S.12), als Beispiel ansteckender Magie die Bannung eines abwesenden Feinds stellvertretend an abgetrennten Körperteilen wie seinen Haaren oder Nägeln (S.38).

Festhalten läßt sich also, daß Frazer die Blaupause einer allgemeinen Zeichentheorie der Ansteckung liefert, Jakobson in seiner sprachtheoretischen Appropriation des Modells aber das Attribut des Ansteckenden (,,contagious``) zugunsten des Kontiguitiven unterschlägt. Ob alle metonymisch-kontiguitiven Sprechweisen in den Künsten latent auch von Ansteckung handeln, ist eine interessante Frage. Für ,,_Viro.Logic Condition][ing][ 1.1_`` von mez läßt sie sich leicht beantworten, denn dieses ,,Codework`` reflektiert the contagious als the contiguous und umgekehrt. Wenn beide identisch sind, so fallen auch die zu Beginn vorgeschlagenen fünf semiotischen Register der Ansteckung zusammen: Biologische Ansteckung, ihre Deskription, ihre Metaphorisierung, performative Ansteckung und Ansteckung von Code durch Code. Ein interessanter Gegensatz von Frazers ansteckender Magie und Jakobsons Metonymie ist, daß erstere eben kein fiktionaler Code ist, sondern eine Mischung aus biologischer Ansteckung und performativem Sprechakt, Jakobson die Metonymie aber im Gegenteil für ein Stilmerkmal deskriptiver Prosa hält.6 Da Mez' Arbeit zwischen allen diesen Ausdrucksmodi erfolgreich oszilliert, widerlegt sie beide Theorien. Wenn ansteckende Codes allgemein also, - um Frazer noch einmal zu zitieren -, allgemein etwas mit ,,assocation of ideas by contiguity` zu tun haben; wären ,,ideas`` noch um bodies zu ergänzen.

(Virale Ansteckung: Innersprachliche Kontiguität durch Vertauschung von benachbartem Code

Performativer Sprechakt: Umkehr der metonymischen Vertauschung von Dingen und ihrer Bezeichnung, das Zeichen tritt aus sich selbst heraus.

Metapher: Konstruktion von Metaphern der Ansteckung über metonymische Sprache (Bsp. mez)

Deskription: Metonymisch ex negativo, Vermeidung von Ansteckung des Signifikanten durch das Signifikat.)

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Fußnoten

1,,jam-jar`` liest sich außerdem als Anspielung auf ,,Jar-Jar``, einem ersten photorealistisch computergenerierten Charaktere eines Spielfilms, der in ,,Star Wars Episode No.1`` (2000) auftritt und Vorwürfe rassistischer Stereotypisierung sowie den Haß von der Star Wars-Fangemeinde in Hacker-Netzforen wie Slashdot.org auf sich zog. Neben ,,jam-jar cursed`` lauert hier also auch ,,jar-jar cursed`` zwischen den Zeilen.

2Jakobson, Two Aspects of Language and Two Types of Aphasic Disturbances, Ges. Werke, S. 254.

3Jakobson schreibt am Schluß seines Aufsatzes: ,,The principles underlying magic rites have been resolved by Frazer into two types: charms based on the law of similarity and those founded on assciation by contiguity. The first of these two great branches of sympathetic magic has been called ,homoeopathic` or ,imitative`, and the second one ,contagious magic```, Jakobson, Two Aspects of Language and Two Types of Aphasic Disturbances, Ges. Werke, S. 258.

4 ,,If we analyse the principles of thought on which magic is based, they will probably be found to resolve themselves into two: first, that like produces like, or that an effect resembles its cause; and, second, that things which have once been in contact with each other continue to act on each other at a distance after the physical contact has been severed. The former principle may be called the Law of Similarity, the latter the Law of Contact or Contagion. [...] Charms based on the Law of Similarity may be called Homoeopathic or imitative Magic. Charms based on the Law of Contact or Contagion may be called Contagious Magic.`` Frazer, The Golden Bough, Studienausgabe, S.11

5Frazer, S.12

6Jakobson, S. 258


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On 11 Jan 2005, 16:49.